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Sindelfingen: Messe Antik & Kunst eröffnet
An der Bronze scheiden sich die Geister

Von Günter Scheinpflug 15. Januar 2015 - 19:59 Uhr

Bis Sonntag bieten rund 90 Händler Antiquitäten an. Kunstsachverständige nehmen sie unter die Lupe. Zu den Rariäten zählt auch ein Schreibtisch des Königs.

 

 

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Peter Atzig nimmt das Prunkstück unter die Lupe: ein Originalmöbel von Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg.Foto: factum/Bach

Sindelfingen - Seinen Koffer hat er direkt vor dem herausragenden Prunkstück der Messe Antik & Kunst abgestellt. Der Sachverständige Peter Atzig holt eine riesige Lupe und eine Taschenlampe heraus und inspiziert zuallererst die Bronzeverzierungen an dem Aufsatzschreibtisch, den einst der erste König Württembergs sein Eigen genannt haben soll. Wie Atzig waren am Donnerstag drei weitere Experten im Einsatz, bevor die Messe am Abend eröffnet worden ist. Insgesamt rund 90 Händler zeigen bis Sonntag in der Sindelfinger Messehalle ihre Raritäten.

Verzierungen unter der Lupe

Atzig prüft die antiken Möbel von 29 Händlern auf ihre Echtheit, ihre Herkunft, den Stil und nicht zuletzt, ob das Exponat auch mit einem angemessenen Preis angeboten wird. Im Falle des einstigen Schreibtisches von Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg gibt es tatsächlich keine Zweifel. „Unter der Lupe sieht man, dass die Bronzeverzierungen von Hand nachgearbeitet sind“, sagt Atzig. „Erst vom Jahr 1830 an sind solche Teile komplett gegossen worden“, weiß auch Georg Britsch, der Kunsthändler aus Bad Schussenried im Kreis Biberach, der erstmals an der Sindelfinger Antiquitätenschau teilnimmt und den größten Stand gemietet hat. „Dieses Möbel ist der Grund, weshalb ich hier bin“, sagt der 49-Jährige, der als gelernter Schreiner sein Geschäft von der Pike auf gelernt und den Familienbetrieb seines Vaters übernommen hat. Aus dem Jahr 1805 datiert das seltene Stück, von dem es möglicherweise noch ein zweites gibt, das aber verschollen sei, meint Britsch. Seine Erkenntnis stützt er auf die Tatsache, dass es in der griechischen Mythologie zwölf Tugenden gibt. Aber nur sechs von ihnen – darunter die Justitia als Personifizierung der Gerechtigkeit – prangen als Figuren auf den Stollenplaketten an dem Sekretär. Schon wegen der überlieferten Originalzeichnungen des berühmten Ebenisten Johannes Klinckerfuß, der das Prachtstück schuf, gibt es nichts zu rütteln: Es zählte einst zum Hofinventar des neuen Schlosses in Stuttgart.

Das Möbel wurde wohl nach England verkauft

„Am Ende des 19. Jahrhunderts ist dort eine Serie von Möbeln wohl nach England verkauft worden“, vermutet Britsch. Darunter könnte sich auch der Aufsatzschreibtisch des württembergischen Regenten befunden haben. Im vergangenen Jahr hat ihn Britsch von einem norddeutschen Händler erworben, der das seltene Exemplar wiederum von einem Liebhaber aus dem europäischen Raum erhalten habe, so Britsch. Ob er Genaueres weiß und es nicht preis geben möchte, lässt er in dem Gespräch offen. Jedenfalls hat er sich nach Preisvergleichen auf einen Verkaufwert festgelegt. 380 000 Euro möchte er für den Mahagoni-Schreibtisch haben. „Er sollte eigentlich bei uns im Ländle bleiben“, sagt er – und spielt auf die finanzstarken Investoren aus Fernost an: „Bevor es nach Dubai wandert.“ Für Atzig, Experte für historische Kulturgüter, ist der angesetzte Preis „okay“. Nur sehr selten kommt ihm ein Möbelstück unter die Lupe, das eindeutig falsch eingeordnet worden ist. Am Donnerstag stößt er auf der Messe nur auf eines: eine Beistellkommode, die dem Empire-Stil um das Jahr 1800 zugeschlagen, „aber vor etwa 30 Jahren wohl in Italien hergestellt wurde“. Das habe er an den Maschinenspuren sehen können, sagt der 57-Jährige. Der Händler bot die Nachbildung für 1800 Euro an. „Tatsächlich ist es aber höchstens 200 Euro wert“, meint Peter Atzig.